CoronaVirus Pandemie – Weisung der BA an Jobcenter zur unkomplizierte und nahtlose Sicherstellung von Leistungen nach dem SGB II

Die Bundesagentur für Arbeit hat am 17. März 2020 folgende Weisung an die Jobcenter zur Sicherstellung der rechtzeitigen und durchgehenden Leistungserbringung in den Jobcenter erlassen. Nachfolgend geben wir den Inhalt dieser Weisung bekannt.

Die Gewährleistung von existenzsichernder Leistungen hat gerade in der derzeitigen Lage, wo der Kundenverkehr in den Jobcenter weitgehend eingestellt ist, höchste Priorität. Es sind daher alle vorhandenen Möglichkeiten so zu nutzen, dass existenzsichernde Leistungen rechtzeitig und durchgehend erbracht werden. Hierzu ergehen die nachfolgenden Regelungen. Zu dieser Umsetzung sind In den Jobcenter die lokalen angemessenen Vorkehrungen zu treffen:

Aufrechterhaltung der Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden

Die Jobcenter haben Voraussetzungen zu schaffen, dass die Kundinnen und Kunden alle Fragen und Anliegen auch ohne persönlichen Kontakt klären können. Hierfür werden vorübergehend die formalen Anforderungen an die Antragstellung und Übersendung von Nachweisen gelockert. Damit die Kundinnen und Kunden von diesen Erleichterungen profitieren können, sind sie in geeigneter Weise bekannt zu machen. Es ist durch die Jobcenter bekannt zu geben, dass eine postalische Antragstellung oder per E-Mail möglich ist. Der Antrag kann auch in den Hausbriefkasten der Jobcenter geworfen werden oder auch telefonisch gestellt werden. Die Jobcenter veröffentlichen ihre Kontaktdaten und geben diese in geeigneter Weise bekannt (hierzu zählen unter anderem Aushänge, Presseerklärungen und Bekanntgabe auf der gegebenfalls vorhandenen Internetseite). Über die temporäre Einschränkung des persönlichen Zugangs sowie über die Nutzung der möglichen Zugangskanäle (E-Mail-Adressen, Telefonnummer oder ein möglicher Online-Zugang) ist die Öffentlichkeit aktiv und wiederkehrend zu informieren. Diese Informationen sind auch durch Aushänge zu ergänzen.

Regelung bei Erstantragstellung

Die Antragstellung wirkt nach § 37 Absatz 2 Satz 2 SGB II auf den Ersten des Monats zurück, so dass sich im Regelfall selbst durch eine Verzögerung in der Antragstellung keine negativen Auswirkungen für die Kundinnen und Kunden ergeben. Zudem ist die Antragstellung an keine Form gebunden. Es besteht daher die Möglichkeit der postalischen, mündlichen, telefonischen als auch der Antragstellung per E-Mail. Auch der Einwurf in den Hausbriefkasten der Jobcenter ist möglich (sollte aber im Beisein von Zeugen erfolgen).

Eine Identitätsprüfung erfolgt erst nach Wiederherstellung des persönlichen Zugangs zum Jobcenter. Die Mitwirkungspflichten dienen dem Nachweis oder der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen. Durch großzügige Fristen und entsprechende Fristverlängerungen soll vor allem in besonderen Problemlagen Rücksicht genommen werden. Die Erbringung von unumgänglichen Nachweisen kann demnach auch per Briefpost oder auf elektronischem Wege (E-Mail) erfolgen. Können die notwendigen Unterlagen durch die Kundinnen und Kunden nicht rechtzeitig beigebracht werden, ist gleichwohl die schnelle oder lückenlose Erbringung der existenzsichernden Leistungen sicherzustellen. Kontoauszüge sind zu einem späteren Zeitpunkt anzufordern. Auf eine sofortige Vorlage dürfen die Jobcenter nur bei dringenden Verdachtsfällen bestehen. Lassen sich die Mitwirkungshandlungen aus wichtigen Gründen – wie dies bei Quarantäne oder der weitgehenden Einstellung des Kundenverkehrs der Fall ist – nicht realisieren, können Entscheidungen auch vorläufig getroffen werden (vgl. § 41a SGB II). Dieser Möglichkeit der vorläufigen Bewilligung nach Maßgabe des § 41a SGB II ist von den Jobcenter zu nutzen. Die Anspruchsvoraussetzungen werden dann zu einem späteren Zeitpunkt nachgewiesen und überprüft. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ist nach Aufhebung der weitgehenden Einstellung des Kundenverkehrs zu prüfen.

Regelung bei Weiterbewilligung

Bei einem Weiterbewilligungsantrag gelten die im allgemeinen die gleichen Regelungen wie bei einer Erstantragstellung. Hier hat in der Regel bereits bei der Erstantragstellung eine ausführliche Identitätsfeststellung stattgefunden. Im Einzelfall ist auch bei einer Weiterbewilligung (etwa bei fehlende Nachweisen oder bei Änderungen-Anzeigen) ist die Möglichkeit der vorläufige Bewilligung in Betracht zu ziehen. Die lückenlose Leistungsbewilligung hat in diesem Fall Vorrang vor der Überprüfung der Identität und der Anspruchsvoraussetzungen. Die Identitätsprüfung ist jedoch nach Wiederherstellung des persönlichen Zugangs nachzuholen.

Erleichterung bei Online-Zugang

Abweichend von den bisherigen Zugangsregeln gelten beim Onlinezugang ab 18.03.2020 folgende Erleichterungen: Kundinnen und Kunden können unter Angabe einer privaten E-Mail-Adresse ein Kundenkonto der Sicherheitsstufe 2 anlegen. Die Zugangsdaten werden per Post zugeschickt. Dies reicht, dass das Onlineangebot insbesondere mit WBA und VÄM vollumfänglich genutzt werden kann.

Notlagen/“Barauszahlung“

Sollte den Kundinnen und Kunden kein Geld zur Verfügung stehen, sind die Möglichkeiten des § 24 Absatz 1 SGB II (Darlehen bei unabweisbarem Bedarf) und § 42 Absatz 2 SGB II (vorfällige Zahlungen) zu nutzen. Es sind keine strengen Anforderungen an den Nachweis anzulegen. Zur Vermeidung von Notlagen sind Barauszahlungen an Kundinnen und Kunden, die über keine Bankverbindung verfügen, weiterhin zu gewährleisten. Zur Bereitstellung des Barcodes können folgende Zustellungsformen entsprechend der tatsächlich bestehenden Möglichkeiten auf Seiten der Kundinnen und Kunden, z.B. einem vorhandenen Online-Zugang oder einer Postadresse, genutzt werden:

  • Versand per E-Mail
  • Versand per Brief
  • persönliche Übergabe

Vor Übergabe eines Barcodes ist in einfachster Weise (ggf. telefonisch) eine Prüfung der Personenidentität vorzunehmen. Sollte keine der genannten Zustellungsformen zur Bereitstellung des Barcodes möglich sein, kann alternativ auch eine Überweisungan an eine durch die Kundinnen und Kunden genannte Vertrauensperson oder Institution (z. B. Betreuungsstellen) erfolgen. Mit der Übergabe des Barcode über alle genannten Zustellungswege geht das Empfangsrisiko auf die Kundinnen und Kunden über. Sollte der Empfang des Barcode seitens der Kundinnen und Kunden bestritten werden, ist eine erneute Auszahlung des Betrages erst wieder möglich, wenn der ursprüngliche Barcode verfallen ist und nicht eingelöst wurde

Regelung für Obdachlose

Grundsätzlich müssen auch erwerbsfähige Obdachlose erreichbar sein. Bei Leistungsbeziehenden ohne festen Wohnsitz ist eine tägliche Vorsprache bei einer Betreuungs-oder Beratungsstelle für Wohnungslose oder einer ähnlichen Stelle (z. B. eine Betreuungsstelle für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten) nicht erforderlich. Von einer Erreichbarkeit ist (bis auf Weiteres) auch ohne eine derartige Vorsprache auszugehen. Leistungen werden auch bei Obdachlosen nach § 41 Absatz 1 SGB II berechnet, sodass keine Bedenken bestehen, Leistungsbewilligungen von mindestens einem Monat vorzunehmen. Eine tägliche Vorsprache zur Auszahlung der Leistungen erfolgt nicht. In den Jobcenter können ggf. bestehende Absprachen mit Betreuungsstellen flexibel gehandhabt werden. Zur Information der Kundinnen und Kunden über den Zeitpunkt der Ausgabe sind soweit möglich Ansprechpartner in den Obdachlosenunterkünften, der Diakonie oder durch die Kundinnen und Kunden benannte Vertrauenspersonen einzubinden.

Ortsabwesenheit bzw. fehlende Rückkehrmöglichkeit (ggf. aus dem Ausland)

Die Beantragung und Entscheidung zur Ortsabwesenheit kann auch ohne persönliche Vorsprache erfolgen. Wenn Kundinnen und Kunden während der Ortsabwesenheit erkranken und eine Rückkehr deshalb nicht möglich ist, ist dieser Umstand im Rahmen der Härtefallprüfung bei den Rechtsfolgen zu prüfen. Der Leistungsanspruch besteht weiter, wenn Kundinnen und Kunden an der Ausreise aus dem Urlaubsland oder der Urlaubsregion (z. B. wegen Quarantäne o. ä.) gehindert oder so schwer erkrankt sind, dass eine Arbeitsunfähigkeit besteht und aufgrund dieser eine Heimreise unter keinen bzw. völlig unzumutbaren Umständen möglich ist. Dies ist bei Nichttransportfähigkeit der Fall. Der Nachweis erfolgt formlos.

Rechtsfolgen einer Quarantäne

Bei einer häuslichen Quarantäne wegen einer Erkrankung am COVID-19 Virus tritt grundsätzlich kein Leistungsausschluss ein. Es ist kein Krankenhausaufenthalt von voraussichtlich länger als sechs Monaten zu erwarten. Eine häusliche Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz erfolgt in der Regel auch nicht auf richterliche Anordnung und wird somit nicht dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung gleichgestellt.

Leistungsminderungen bei Sanktionen

Die Regelungen zu den Minderungen bei Sanktionen werden zur Reduzierung des Kundenverkehrs ausgesetzt. Das Meldeverfahren findet nicht statt.

Aktivierende Leistungen

Für die Teilnahme an einer Maßnahme im SGB II gilt folgendes: Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen werden entsprechend der Fristen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes des jeweiligen Landes – mindestens jedoch für 14 Tage – ausgesetzt und der Beginn neuer Maßnahmen für den gleichen Zeitraum verschoben. Sollte trotz dieser Regelung noch eine Maßnahme weitergeführt werden, so haben Teilnehmende kein ärztliches Attest vorzulegen, eine Abmeldung beim Kursträger genügt. Verhinderungen aufgrund coronabedingter Einschränkungen (z. B. Quarantäne, Verhinderungen wegen Schulschließung, Kindergartenschließung, Pflege von Angehörigen, etc.) gelten bei Maßnahmen im Bereich der aktiven Leistungen als wichtiger Grund. Es treten keine Rechtsfolgen ein, da die Maßnahmen vorübergehend unzumutbar sind (vgl. § 10 SGB II).

Gültigkeit dieser Weisung

Diese Weisungen der Bundesagentur gelten solange, bis die normale Arbeitsfähigkeit in den Jobcenter wieder hergestellt ist. Die Agentur für Arbeit prüft derzeit, ob eine Verlängerung der Bewilligungsabschnitte von zentraler Seite automatisiert vorgenommen werden kann.